Mittwoch, 7. Juni 2017

Glücksmomente - Blind Date mit Herrn Schweiz

Wie Social Media verbindet

Heute erzähle ich euch mal eine richtig tolle Geschichte.

Vor fünf Wochen etwa, der Lichtscherben Blog war gerade online gegangen, erhielt ich über Facebook eine Nachrichtenanfrage, von einem mir bis dato fremden Mann.

Mit einem gesunden, leicht skeptischen Gefühl, ließ ich mir sein Facebook-Profil vorlesen. Naja, ich kenne niemanden aus der Schweiz und trotzdem wagte ich es, ihm per Messenger eine Nachricht zu senden. Ich fragte ihn woher wir uns kennen würden und prompt bekam ich eine neue Nachricht von ihm.

 Er stellte sich mir kurz vor. Nannte seinen Namen, Alter und so weiter und er schrieb, dass er sehbehindert sei. Wir kamen per Messenger ins Gespräch, tauschten dann bald unsere Handynummern aus und schrieben uns via WhatsApp weiter, sodass sich der komplette Morgen mit sehr interessanten Gesprächen füllte. Wir hatten natürlich unser Augenlicht zum Hauptgesprächsthema erklärt und wir waren uns gegenseitig sehr sympathisch. Ich mochte Zorans sympathische Stimme auf Anhieb. Wie ihr ja bereits aus meinen Beiträgen wisst, ist das für mich immer ein gutes Zeichen. Ein Pluspunkt also für ihn.

Nach circa zwei Wochen Nachrichten schreiben, telefonierten wir dann über WhatsApp zum ersten Mal. 

Haltet euch jetzt gut fest, über vier Stunden lang haben wir geredet und gequatscht. 

So viel hatten wir uns zu erzählen und das auf dem gleichen mentalen Level. Wir mochten uns einfach sofort und wir haben so viel zusammen gelacht. Auch sein Schweizer Dialekt brachte mich sehr oft zum Lachen.

Ihr Lieben, es wird nun aber noch viel besser.

Letzten Mittwoch, also am 31. Mai, rollte Herr Schweiz (Zoran) dann mit dem Zug aus der Schweiz nach Saarbrücken. Mein lieber Mann Oliver schaute sich vor seiner Ankunft bei Facebook das Profilbild unseres Gastes genau an, damit er ihn am Bahnhof erkennen würde.

Ich war total aufgeregt, denn Telefon und Realität bzw. sich gegenüberstehen, sind schließlich zwei Paar verschiedene Schuhe.

Zoran stieg aus dem Zug, stand da mit einem Trolley und einem Rucksack in der Hand und natürlich war er mit seinem Langstock (Blindenstock) bewaffnet, wie soll es auch anders sein. Unsere Begrüßung viel schon sehr herzlich aus und dann gingen wir zum Auto, luden sein Gepäck ein und fuhren zu uns nach Hause.

Zu Hause angekommen, erklärte ich ihm unser Haus. Ich zeigte ihm das Gästezimmer und danach setzen wir uns in die Küche und aßen etwas zusammen.

Da Zoran noch einen kleinen Sehrest hat, hatte er glücklicherweise keinerlei Probleme sich zurechtzufinden. Oliver musste am nächsten Tag leider arbeiten und so waren wir beide tagsüber allein und konnten stundenlang reden. Es verlief alles wunderbar, aber natürlich knallten wir auch mal zusammen. Grins. Aber, das war für keinen von uns beiden ein Problem, denn wir haben ja schließlich beide das gleiche Problem mit unserem Sehen.

Wir redeten und lachten. Wir sprachen über Alltagsprobleme, über Hilfsmittel und vieles mehr. Die vier Tage, die er bei uns zu Besuch gewesen war, verflogen einfach viel zu schnell.

Herr Schweiz half mir sogar in der Küche und ich bat ihn Zucchini in Würfel schneiden. Als ich dann ertastete, wie er sie geschnitten hatte, musste ich doch sehr lachen. Warum lachst du, fragte er mich. Ich sagte ihm, dass die Stücke viel zu groß seien und er bat mich ihm zu zeigen, wie die Würfel letztendlich aussehen sollten. Also Schnitt ist sie in die von mir gewünschte Größe und dann fing er an zu lachen, als er sie ertastete. Und warum lachst du jetzt fragte ich ihn? Er gab mir zu Antwort, dass ich ihm doch gleich hätte sagen können, dass er sie in Würfelch“en“ schneiden sollte. Riesen Gelächter brach aus. Und ich zog ihn die verbleibende Zeit mit seinen großen Zuchini-Würfeln auf.

Am nächsten Tag backten wir zusammen einen Kuchen. Es war total lustig und als wir soweit fertig waren, stellten wir den Kuchen in den Backofen. Wie gesagt, der Schweizer Besucher hat ja noch einen kleinen Sehrest und so gab ich ihm zur Aufgabe, dass er nach dem Kuchen schauen sollte, ob er soweit fertig ist. Ach, erwiderte er, der brauch noch ein paar Minuten, gab er mir zur Antwort. Als meine beiden sehenden Mitbewohner, also Oliver und Franzi, dann zu Hause waren präsentierten wir stolz unseren selbstgebackenen Kuchen. Sie fingen an zu lachen, denn der Rand des Kuchens war doch etwas schwarz geworden.

Ich gab Zoran die Schuld dafür, dass der Kuchen schwarz geworden ist, er hätte nicht richtig hingesehen. Und er gab mir die Schuld, ich hätte ja ebenso nicht richtig hingesehen. Wieder brachen wir alle in einen riesen Gelächter aus. 

Wir tauften den Kuchen Afrika-Kuchen und verspeisten ihn mit Wonne.

Als Zoran dann am Sonntag nach Hause fuhr war der Abschied einfach nur traurig. Wir standen am Bahnhof und verabschiedeten uns. Es gab einen ganz festen Knuddler und ich war den Tränen nahe. Oliver brachte ihn in den Zug und als der Zug ins Rollen kam, winkten Oliver und ich ihm nach. Ich legte den Kopf an Olivers Schultern und fing bitterlich an zu weinen.

Ich fragte Oliver, warum müssen so tolle Menschen immer soweit von einem entfernt wohnen, aber natürlich hatte er darauf keine Antwort.

Am Abend rief er mich an und berichtete von der Zugfahrt. Zugfahren stellt für ihn kein Problem dar, denn er ist täglich mit dem Zug unterwegs.

Wir waren von den vier Tagen, die er bei uns war, einfach nur begeistert und wir beschlossen, dass er in absehbarer Zeit wieder zu uns zu Besuch ins Saarland kommt.

Er hat von mir Erfahrungen gesammelt und ich von ihm. Ist das nicht toll?

Der Austausch mit einem Gleichgesinnten hat mir sehr gut getan und ich würde dieses Wagnis jederzeit wieder versuchen. Wenn man sich bei Kontakten vorsichtig gibt, kann man eigentlich nur gewinnen.

Meine Freundin und Nachbarin Sabine gab dem Ganzen einen tollen Namen. Sie sagte zu uns beiden:

„Hey, ihr beiden, habt ein blind Date?“

Und sie hatte recht, denn genau das war es. Ein blind Date.

Danke Social Media.


Eure Kerstin

Dieser Beitrag enthält drei Bilder. Das Titelbild zeigt einen verästelten Baum, an dem bunte Social Media Icons baumeln. Das zweite Bild zeigt eine Zucchini und eine Zwiebel auf einem Holzschneidebrettchen und das letzt Bild zeigt einen im Backofen angebrannten Kuchen.

1 Kommentar:

  1. Definitiv, Social Media und zwar egal welche Plattform sind eine wunderbare Erfindung der Neuzeit! Man findet so viele tolle Menschen und vor allem Menschen, die mit einem etwas teilen wie eben in diesem Fall die Sehbehinderung. Hätte mich das alles früher ereilt, ohne die Möglichkeit des Austausches, keine Ahnung wie das für mich ausgegangen wäre. Mittlerweile kenne ich mehrere Sehbehinderte und Blinde aus den unterschiedlichsten Ecken und es gibt so viel Kraft nicht alleine da zu stehen und sich austauschen zu können!

    Liebste Grüße,
    Vivka

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