Wie Social Media verbindet
Heute erzähle ich euch mal eine richtig tolle Geschichte.
Vor fünf Wochen etwa, der Lichtscherben Blog war gerade
online gegangen, erhielt ich über Facebook eine Nachrichtenanfrage, von einem
mir bis dato fremden Mann.
Mit einem gesunden, leicht skeptischen Gefühl, ließ ich mir
sein Facebook-Profil vorlesen. Naja, ich kenne niemanden aus der Schweiz und
trotzdem wagte ich es, ihm per Messenger eine Nachricht zu senden. Ich fragte
ihn woher wir uns kennen würden und prompt bekam ich eine neue Nachricht von
ihm.
Nach circa zwei Wochen Nachrichten schreiben, telefonierten
wir dann über WhatsApp zum ersten Mal.
Haltet euch jetzt gut fest, über vier
Stunden lang haben wir geredet und gequatscht.
So viel hatten wir uns zu
erzählen und das auf dem gleichen mentalen Level. Wir mochten uns einfach
sofort und wir haben so viel zusammen gelacht. Auch sein Schweizer Dialekt
brachte mich sehr oft zum Lachen.
Ihr Lieben, es wird nun aber noch viel besser.
Letzten Mittwoch, also am 31. Mai, rollte Herr Schweiz
(Zoran) dann mit dem Zug aus der Schweiz nach Saarbrücken. Mein lieber Mann
Oliver schaute sich vor seiner Ankunft bei Facebook das Profilbild unseres
Gastes genau an, damit er ihn am Bahnhof erkennen würde.
Ich war total aufgeregt, denn Telefon und Realität bzw. sich gegenüberstehen, sind schließlich zwei Paar verschiedene Schuhe.
Zoran stieg aus dem Zug, stand da mit einem Trolley und
einem Rucksack in der Hand und natürlich war er mit seinem Langstock
(Blindenstock) bewaffnet, wie soll es auch anders sein. Unsere Begrüßung viel
schon sehr herzlich aus und dann gingen wir zum Auto, luden sein Gepäck ein und
fuhren zu uns nach Hause.
Zu Hause angekommen, erklärte ich ihm unser Haus. Ich zeigte
ihm das Gästezimmer und danach setzen wir uns in die Küche und aßen etwas
zusammen.
Da Zoran noch einen kleinen Sehrest hat, hatte er glücklicherweise
keinerlei Probleme sich zurechtzufinden. Oliver musste am nächsten Tag leider arbeiten
und so waren wir beide tagsüber allein und konnten stundenlang reden. Es
verlief alles wunderbar, aber natürlich knallten wir auch mal zusammen. Grins.
Aber, das war für keinen von uns beiden ein Problem, denn wir haben ja schließlich
beide das gleiche Problem mit unserem Sehen.
Wir redeten und lachten. Wir sprachen über Alltagsprobleme, über
Hilfsmittel und vieles mehr. Die vier Tage, die er bei uns zu Besuch gewesen
war, verflogen einfach viel zu schnell.
Herr Schweiz half mir sogar in der Küche und ich bat ihn
Zucchini in Würfel schneiden. Als ich dann ertastete, wie er sie geschnitten
hatte, musste ich doch sehr lachen. Warum lachst du, fragte er mich. Ich sagte
ihm, dass die Stücke viel zu groß seien und er bat mich ihm zu zeigen, wie die
Würfel letztendlich aussehen sollten. Also Schnitt ist sie in die von mir
gewünschte Größe und dann fing er an zu lachen, als er sie ertastete. Und warum
lachst du jetzt fragte ich ihn? Er gab mir zu Antwort, dass ich ihm doch gleich
hätte sagen können, dass er sie in Würfelch“en“ schneiden sollte. Riesen
Gelächter brach aus. Und ich zog ihn die verbleibende Zeit mit seinen großen
Zuchini-Würfeln auf.
Am nächsten Tag backten wir zusammen einen Kuchen. Es war
total lustig und als wir soweit fertig waren, stellten wir den Kuchen in den
Backofen. Wie gesagt, der Schweizer Besucher hat ja noch einen kleinen Sehrest
und so gab ich ihm zur Aufgabe, dass er nach dem Kuchen schauen sollte, ob er
soweit fertig ist. Ach, erwiderte er, der brauch noch ein paar Minuten, gab er
mir zur Antwort. Als meine beiden sehenden Mitbewohner, also Oliver und Franzi,
dann zu Hause waren präsentierten wir stolz unseren selbstgebackenen Kuchen.
Sie fingen an zu lachen, denn der Rand des Kuchens war doch etwas schwarz
geworden.
Ich gab Zoran die Schuld dafür, dass der Kuchen schwarz
geworden ist, er hätte nicht richtig hingesehen. Und er gab mir die Schuld, ich
hätte ja ebenso nicht richtig hingesehen. Wieder brachen wir alle in einen riesen
Gelächter aus.
Wir tauften den Kuchen Afrika-Kuchen und verspeisten ihn mit
Wonne.
Als Zoran dann am Sonntag nach Hause fuhr war der Abschied
einfach nur traurig. Wir standen am Bahnhof und verabschiedeten uns. Es gab
einen ganz festen Knuddler und ich war den Tränen nahe. Oliver brachte ihn in
den Zug und als der Zug ins Rollen kam, winkten Oliver und ich ihm nach. Ich
legte den Kopf an Olivers Schultern und fing bitterlich an zu weinen.
Ich fragte Oliver, warum müssen so tolle Menschen immer
soweit von einem entfernt wohnen, aber natürlich hatte er darauf keine Antwort.
Am Abend rief er mich an und berichtete von der Zugfahrt.
Zugfahren stellt für ihn kein Problem dar, denn er ist täglich mit dem Zug
unterwegs.
Wir waren von den vier Tagen, die er bei uns war, einfach
nur begeistert und wir beschlossen, dass er in absehbarer Zeit wieder zu uns zu
Besuch ins Saarland kommt.
Er hat von mir Erfahrungen gesammelt und ich von ihm. Ist das nicht toll?
Der Austausch mit einem Gleichgesinnten hat mir sehr gut
getan und ich würde dieses Wagnis jederzeit wieder versuchen. Wenn man sich bei
Kontakten vorsichtig gibt, kann man eigentlich nur gewinnen.
Meine Freundin und Nachbarin Sabine gab dem Ganzen einen
tollen Namen. Sie sagte zu uns beiden:
„Hey, ihr beiden, habt ein blind Date?“
Und sie hatte recht, denn genau das war es. Ein blind Date.
Danke Social Media.
Eure Kerstin
Dieser Beitrag enthält drei Bilder. Das Titelbild zeigt einen verästelten Baum, an dem bunte Social Media Icons baumeln. Das zweite Bild zeigt eine Zucchini und eine Zwiebel auf einem Holzschneidebrettchen und das letzt Bild zeigt einen im Backofen angebrannten Kuchen.
Definitiv, Social Media und zwar egal welche Plattform sind eine wunderbare Erfindung der Neuzeit! Man findet so viele tolle Menschen und vor allem Menschen, die mit einem etwas teilen wie eben in diesem Fall die Sehbehinderung. Hätte mich das alles früher ereilt, ohne die Möglichkeit des Austausches, keine Ahnung wie das für mich ausgegangen wäre. Mittlerweile kenne ich mehrere Sehbehinderte und Blinde aus den unterschiedlichsten Ecken und es gibt so viel Kraft nicht alleine da zu stehen und sich austauschen zu können!
AntwortenLöschenLiebste Grüße,
Vivka